Reblese in doppeltem Sinne – Ein Besuch bei Sven Leiner in der Südpfalz

Wir sind mit Sven Leiner in der Südpfalz unterwegs. Die 15 ha Rebflächen des Winzers liegen alle rund um Ilbesheim, keine ist weiter als zwei Kilometer vom Hof entfernt. Der Wanderweg zur Kleinen Kalmit führt direkt am Winzerhaus vorbei. Zur 271 Meter hohen Anhöhe, dem Filetstück des Familienbetriebs, sind es zu Fuß nur fünf Minuten. Auf dem kalkreichen Boden gedeihen besonders Leiners Burgunder-Sorten. Sein Riesling steht etwas tiefer, da es dort kühler ist. Doch ganz gleich ob Kleine Kalmit, Göcklingen oder Ilbesheim – alle drei Lagen sind klimatisch geprägt vom Wechsel aus hohen Tagestemperaturen und nächtlicher Kaltluft, die vom angrenzenden Pfälzer Wald hinunter strömt.    

 Biodynamie ohne Rezept

Es ist Ende August. Die Traubenlese beginnt erst in ein bis zwei Wochen. So hat Sven Leiner Zeit, mit uns eine Lese ganz anderer Art zu betreiben: „Die Grundlagen bäuerlichen Handels sind durch den Glauben an Rezepte verloren gegangen“, sagt er. „Deshalb gibt es in der Biodynamie keine rezeptartigen Anleitungen, wie mit der Rebe umzugehen ist. Für den biodynamischen Winzer gilt vielmehr, auf die individuellen Begebenheiten und den Jahresverlauf zu achten und dabei die Pflanzen ganz genau zu beobachten. Die Biodynamie gibt dabei die Impulse, wie der Pflanzenwuchs gelesen werden kann.“

Der junge Winzer hat das Weingut nach der Übernahme von seinem Vater auf „bio“ umgestellt. Seit 2011 ist es zudem demeter-zertifiziert. Da Sven Leiner schon Jahre zuvor nach biodynamischen Prinzipien arbeitete und dies genau protokollierte, wurde ihm die Zertifizierung ohne Umstellungsphase gewährt. Und wirklich, Sven Leiner erweist sich im Laufe des Vormittags nicht allein als Biodynamie-Experte, sondern auch als eindrucksvoller Vermittler.

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Die Kleine Kalmit im Visier.                                                                               Der Weg ist das Ziel.                                      Oben angekommen: Blick auf den Pfälzer Wald.                                             

„Was sagt dir denn der Wuchs dieser Rebe?“, fragen wir neugierig, als wir vor dem Göcklinger Riesling stehen. „Die Rebe hat das Wachstum eingestellt.“ Sven Leiner deutet auf die Triebspitze des Stocks. „Und das ist auch genau richtig so in dieser Phase, weil sie ihre ganze Energie darauf aufwenden muss, ihre Trauben voll auszubilden. Und zwar nicht, um uns einen guten, ausgewogenen Wein zu bescheren, sondern um ihre Samen vollständig reifen zu lassen. Der Rebe geht es grundsätzlich um ihren Fortbestand. Das muss man sich immer vor Augen führen und daraus die eigenen Behandlungsmethoden ableiten.“ Wenn dies gelingt, kommen dabei nicht nur gesunde und zufriedene Pflanze heraus, sondern auch hervorragende, authentische Weine.

„Würde die Rebe zu diesem Zeitpunkt zum Beispiel noch weiter wachsen und ihre Triebe nach unten ausrichten, wäre ich alarmiert. Diese Art Kommunikation mit der Erde ist ein Zeichen dafür, dass erhöhte Pilzgefahr besteht. Zum Ausgleich würde ich dann Hornkiesel spritzen, um die Verbindung zum Kosmos wiederherzustellen.“ Erde – Kosmos? Alles Hokuspokus? Manch einer mag das so empfinden, doch folgt man Leiners Ausführungen, ist man schnell vom Gegenteil überzeugt. 

Bilder2Oben von links nach rechts: Glückliche Dreiecksbeziehung Boden, Rebe, Winzer.
Unten von links nach rechts: Fast vollständig ausgereifte Riesling-Rebe. Unreife Geizrebe. Spätburgunder im Kordon-Schnitt.

Reberziehung ohne Stress

Auch bei der Ertragsreduzierung achtet der Biodynamiker auf das Wesen der Pflanze. „Wir entfernen keine Trauben, da diese sogenannte Grünlese für den Rebstock Stress bedeutet“, erklärt er.
Als Reaktion auf den Verlust der Samen bildet er vermehrt Geiztriebe aus und verwendet viel Kraft darauf, die Geiztrauben reif zu bekommen. Damit geht wertvolle Energie für die anderen Trauben verloren. Leiner schneidet seine Rebstöcke deshalb ganz früh im Jahr, wenn diese noch keine Trauben entwickelt haben. An jedem Zapfen lässt er immer nur zwei Augen stehen. Im folgenden Jahr wird gewechselt: Nun werden die ausgebildeten Triebe des Vorjahres zurückgeschnitten und zwei neue wachsen gelassen. So erreicht er, dass die Rebe von sich aus weniger Ertrag bringt. Gleichzeitig bedeutet dies weniger Stress – zumindest für die Pflanze, denn der Rebschnitt macht einen Großteil der Arbeitsstunden im Weinbau aus.

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Schädlingsbekämpfung in homöopathischen Dosen

Anders als viele seiner Kolleg*innen ist Leiner 2017 von Frostschäden verschont geblieben. Dafür hat er Probleme mit dem Rhompenspanner, der sich im Frühling in noch nicht ausgebildete Knospen und kleine Triebe gefressen hat. Im ökologischen Weinbau ist kein Spritzmittel gegen diesen Schädling zugelassen. Da hilft nur mühsames Absammeln. „Mein Vater hat das an einigen Stellen gemacht. Und der Erfolg ist deutlich sichtbar.“ Um sich vor einem erneuten Befall zu schützen, muss schon im Herbst Vorsorge getroffen werden, denn die Raupen überwintern in den Ritzen der Stämme. „Also haben wir die abgesammelten Raupen verascht und potenziert. Mit dem daraus gewonnenen Präparat dynamisieren wir das Wasser. Dabei geht die Information zunächst auf das Wasser – und beim Ausspritzen dann auf die behandelte Fläche über und schafft ein ungünstiges Milieu für die Schädlinge, sodass diese sich dort nicht mehr wohlfühlen und somit abwandern, weniger vermehren und nicht mehr in diesem Maße ansiedeln.“
Die Arbeitsweise mit den homöopathischen Präparaten ist schon etwas ganz Eigenes, das nur biodynamische Weinbaubetriebe praktizieren. Andere Dinge hingegen werden immer häufiger auch von konventionell arbeitenden Winzer*innen aufgegriffen, beispielsweise das Prinzip der Bodenbegrünung oder der Verzicht auf Herbizide.

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Oben von links nach rechts: Bodenbegrünung statt Herbizideinsatz (1 + 2). Je sauberer der Stein, desto lebloser. (3)
Unten von links nach rechts: Lebendiger Kompost. Aufstieg zur Kleinen Kalmit, Weinberg-Schnecke auf Namensgeber.

Es bewegt sich was   

Während es der ersten Generation von Bio-Winzer*innen in den 1980er-Jahren in erster Linie ums Weglassen ging, ist die heutige, zweite Bio-Generation, besonders die Biodynamiker*innen, auch stark an einem guten Endprodukt interessiert. Sie arbeiten fundiert, ordentlich und qualitätsorientiert. „Die anderen Winzer sehen, dass etwas dabei herauskommt“, sagt Leiner, „das bewegt etwas in den Menschen.“
Und das bewegt auch uns: Als wir in der Probierstube des Weinguts die schlanken Leiner-Weine degustieren, wird unmissverständlich klar, dass so authentisch und facettenreich nur Weine schmecken können, die von glücklichen Pflanzen aus lebendigen Böden stammen.     

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Ein Fasskeller mit vielen Gesichtern!
Von oben links nach unten rechts: Holzfass auf Kies, für ein besseres Klima im Keller. Ein Faible für Schläuche. Renommiertes Stockinger-Fass.
Traditionelle Pfälzer Betonfässer. Beton trifft Holz und Edelstahl. Neugieriger Sohnemann an der Verbindungsluke zwischen Erdgeschoss und Keller.

Noch mehr über Bio-Weine im vinocentral lesen Sie hier

Fotos: Janne Böckenhauer und Michael Bode-Böckenhauer

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