Zu Besuch bei Weingut Keller: Blick in die Zukunft

Vergangene Woche hatten die vinocentral-Mitarbeiter Lasse und Sebastian – gemeinsam mit Sommeliers, Journalist*innen, Masters of Wine und anderen Weinexpert*innen – die besondere Ehre, an einer exklusiven Masterclass im renommierten Weingut Keller im rheinhessischen Flörsheim-Dalsheim teilzunehmen. Gastgeber waren Klaus Peter (KP), Julia und Felix Keller sowie Isabella (Bella) Rutayungwa. Dieses Mal standen jedoch nicht die legendären Rieslinge wie G-Max, Schubertslay oder Morstein im Mittelpunkt, sondern Schaumwein, Chardonnay, Spätburgunder und das Thema Dichtpflanzungen – neue, mutige und wegweisende Projekte, maßgeblich von Felix initiiert.

Sekt als eigenständige Kategorie

Bei strahlendem Sonnenschein startete die Gruppe mit einem Glas Rosé Prestige Brut Nature 2018 – einem der ersten Sekte, die Felix vinifiziert hat. Neben 95 Prozent Chardonnay enthält dieser auch fünf Prozent Spätburgunder GG aus der Lage Bürgel. Ungemein frisch und lebendig – der perfekte Auftakt bei sommerlichen Temperaturen.

Doch woher kam die Idee, Sekt zu produzieren?
Ein Jahr seiner Ausbildung verbrachte Felix im Weingut Reichsrat von Buhl in Deidesheim unter Mathieu Kauffmann (heute Sektgut Christmann & Kauffmann). Dort infizierte er sich mit dem „Sekt-Virus“, der sich bei einem Praktikum bei Maison Bérèche et Fils in der Champagne noch verstärkte. Zurück im elterlichen Betrieb wurde direkt losgelegt: Sekt soll kein Nebenprodukt, sondern eigenständig und kompromisslos auf Qualität ausgerichtet sein. Dafür braucht es eigene Lagen – und so wird das Zellertal zur neuen Spielwiese von Felix: sowohl für Sekt als auch für Dichtpflanzungen bei Chardonnay und Spätburgunder.

Dichtpflanzungen – alte Ideen neu gedacht

In einem durchschnittlichen deutschen Weinberg stehen heute etwa 5.000 bis 10.000 Reben pro Hektar. Je dichter die Bepflanzung, desto stärker die Konkurrenz um Wasser und Nährstoffe – die Reben werden gezwungen, schneller und tiefer zu wurzeln. Im 19. Jahrhundert, vor der Reblaus, waren in Burgund und Champagne bis zu 50.000 Reben pro Hektar keine Seltenheit. Erst mit der Industrialisierung vergrößerte man die Abstände, um Maschinen einsetzen zu können. Heute greift man diese alten Methoden wieder auf, um Reben widerstandsfähiger und nachhaltiger zu kultivieren.

Die Tour begann am Flörsheimer Frauenberg, dem Tor zum Zellertal. Bereits 1999 pflanzte KP hier – inspiriert von seinem Burgund-Aufenthalt – die ersten französischen Spätburgunder-Reben. „Hier sei nie mehr als Rosé gewachsen“, spottete damals sein Großvater. Heute zeigt sich: KP hatte recht. Gerade in heißen Sommern profitieren Reben und Wein von den kühlen Winden dieser Lage.

Neben der GG-Parzelle entstand kürzlich eine neue Dichtpflanzung: Zwischen die alten Reben wurde jeweils eine weitere gesetzt, womit sich die Pflanzdichte von 7.500 auf etwa 15.000 Reben pro Hektar verdoppelte. Die alten Reben wurden zudem mit verschiedenen französischen Klonen umveredelt, was die Vielfalt erhöht und die Weine komplexer macht. Noch wird aus dieser Parzelle kein eigener Wein erzeugt, doch langfristig soll der Spätburgunder Frauenberg GG damit ergänzt werden.

In der Mölsheimer Lage Zellerweg am Schwarzen Herrgott präsentierten Felix und KP eine der ersten Dichtpflanzungen: Chardonnay mit 17.000 Reben pro Hektar, angelegt vor sieben Jahren. Der Reihenabstand erlaubt noch den Einsatz von Traktoren, aber für die Reben wurde ein spezielles Erziehungssystem entwickelt, das nur vier bis fünf Trauben pro Stock ermöglicht. Kleinere Trauben, weniger Saft, höherer Schalenanteil – mehr Aroma und Intensität.

Anfangs war KP skeptisch. Nach vielen Diskussionen – auch mit Kollegen – überzeugte letztlich der Austausch mit Olivier Lamy (Domaine Hubert Lamy), der von jungen Dichtpflanzungen berichtete, deren Weine denen alter Anlagen in nichts nachstanden, wenn nicht sogar diese übertrafen. Das war der Startschuss für weitere ambitionierte Projekte.

 Das spektakulärste: eine neue Spätburgunder-Parzelle im Schwarzen Herrgott mit 36.000 Reben pro Hektar in Einzelpfahlerziehung (zwei Reben pro Pfahl) – liebevoll auch „Holzwüste“ genannt. Östlich schließt sich eine weitere Anlage mit 20.000 Reben pro Hektar an, die 2024 erstmals separat ausgebaut wurde (dazu später mehr). Hier entstand auch eine Natursteinmauer, die für Weinliebhaber*innen zum Pilgerort werden könnte.

Schon sind weitere Projekte geplant: Brachliegende Flächen werden neu bepflanzt, Steinmauern restauriert, Mandelbäume gepflanzt – dieses Mal soll es wieder Chardonnay in Dichtpflanzung werden. Spannend!

Weiter unten am Hang liegt die neu erworbene Parzelle In der Helde rund um das Heldentürmchen. Hier stehen alte Riesling-Reben, etwas Scheurebe und Grauburgunder. Die Besucher*innen werden hier von regem Vogelgezwitscher begleitet. Das Zellertal ist Vogelschutzgebiet. Von den restaurierten Steinmauern und neuen Bäumen wird es profitieren. Bevor konkrete Pflanzpläne entstehen, wollen Felix, KP und Team den Weinberg jedoch erst besser kennenlernen.

Zurück im schattigen Garten gab es ein Mittagessen – begleitet vom Talfels 2023, einer Chardonnay-Cuvée aus den jungen Dichtpflanzungen. Quasi das Pendant zum Riesling Von der Fels.

Masterclass: Alte Reben versus Dichtpflanzungen

Dann begann die eigentliche Masterclass.
Zuerst: Spätburgunder Réserve du Fils bzw. Zellerweg am Schwarzen Herrgott GG, Jahrgänge 2018 bis 2024. Bis auf den 2024er stammen alle aus der 2010 gepflanzten Parzelle mit 9.000 Reben pro Hektar. Vinifikation jeweils identisch: 100 % Ganztraubenpressung, Ausbau im Barrique (Zweit- und Drittbelegung).

Bereits diese Weine überzeugten durch Tiefe, Frische und Strahlkraft. Doch der 2024er aus der Dichtpflanzung mit 20.000 Reben pro Hektar ließ alle staunen: so dicht, intensiv und doch fein und nuancenreich, dass man kaum glauben konnte, dass der Weinberg erst fünf Jahre alt ist – Gänsehaut pur!

Weiter ging es mit Chardonnay: Westhofener Steingrube (1963 gepflanzt, umveredelt auf Chardonnay) versus Wachenheimer Rotenberg (2018 gepflanzt, 18.000 Reben pro Hektar). Beide zeigten, dass Dichtpflanzungen den alten Anlagen mindestens ebenbürtig sind. Die Steingrube präsentierte sich zarter, eleganter und cremiger, der Rotenberg kraftvoller, mit Substanz und karger Länge.

Grande Cuvée & Lagensekte

Zum Abschluss die Sekte: mehrere Auflagen der Grande Cuvée, einer klassischen Champagner-Cuvée (Chardonnay, Pinot Noir, Pinot Meunier), gewachsen auf Muschelkalk, blauem Ton und Kalksteinfels, ausgebaut im Barrique.

Während der erste Jahrgang noch ohne Reserve auskommen musste, startete Felix 2019 eine réserve perpétuelle, die seither mit den aktuellen Jahrgängen fortlaufend ergänzt wird. Die Grande Cuvée No. 002 enthält davon 30 %. Sie überzeugte mit zarter Frucht, süßlicher Würze und feiner Perlage und wird voraussichtlich im September erscheinen. Die No. 003 zeigte sich rund und charmant, die No. 005 brillierte mit Präzision, geschliffener Säure und enormer Länge.

Auch die reinsortigen Spätburgunder Blanc de Noir aus dem Schwarzen Herrgott (teils ebenfalls Dichtpflanzungen) beeindruckten schon jetzt durch Weinigkeit, zarte Frucht und präzise Säure. Degorgiert werden sie offiziell aber erst ab 2027, es ist also noch etwas Geduld gefragt.

Besonderes Highlight: die Riesling-Lagensekte aus dem Dalsheimer Hubacker und der Westhofener AbtsE, die nur in Ausnahmejahren wie 2021 produziert werden. Selten spiegeln Riesling-Sekte ihre Herkunft so präzise wider: Der Hubacker glänzte mit Gelbfrucht und Mineralität, der AbtsE überzeugte mit geradliniger Säure, Spannung und kalkiger Tiefe – großes Kino!

Ein intensiver, lehrreicher Tag voller Begegnungen und Entdeckungen. Und wir hoffen, dass einige dieser großartigen Spätburgunder, Chardonnays und Sekte ihren Weg in die vinocentral-Schatzkammer finden – um im richtigen Moment entkorkt zu werden.
Am Abend wurden bei Bellas Weinbar noch einige Flaschen geöffnet, viel gefachsimpelt und gelacht – ganz nach dem Motto: Wine brings people together!

Fotos: vinocentral